Um herauszufinden, wo die Anfänge des genetischen Codes lagen, muss man sich vor Augen halten, dass primitive Proteine nur wenige Aminosäuren enthalten haben, da in der Ursuppe lt. den MILLERschen Experimenten nur wenige Aminosäuren in ausreichender Kozentration enthalten waren. Nach Miller waren das Alanin, Glycin, Glutaminsäure und Asparaginsäure.
Doch von dieser Überlegung wollen wir vorerst zurücktreten um uns eine weitere, heute nicht mehr wichtige Aufgabe des genetischen Codes ins Gedächtnis zu rufen. Der genetische Code musste zum Beispiel die Ableserichtung und die Zeichensetzung, also ein Leseraster vorgeben. Heute bewältigt das der Translationsapparat, also die Ribosomen, indem sie bei Prokaryonten die funktionelle Gruppe am Ende der mRNA und bei Eukaryonten das "Cap" ein modifiziertes Guanin erkennen und daraus die Ableserichtung entnehmen können. Durch die Struktur der Ribosomen wird außerdem das Leseraster der mRNA eindeutig bestimmt, bei den primitiveren Varianten sollte das kaum möglich gewesen sein.
Man ist sich übrigens sicher, dass auch der früheste Code bereits aus drei Basenpaaren bestand. Andernfalls hätte bis heute irgendwann von einer oder zwei Basen auf die drei Basen, die den Code heute bestimmen, übergehen müssen. Das Problem hierbei wäre, dass während des Umschreibevorgangs zwei inkompatible Codes nebeneinander bestanden und daher die bestehenden Informationen unsinnig gewesen wären.
Demzufolge gab es 1976 zwei Angebote von Francis Crick, Sydney Brenner, Aaron Klug und anderen, wie ein "Urtriplett" ausgesehen haben könnte: RRY (R steht für ein Purin: G oder A, Y steht für ein Pyrimidin: C oder U) oder RNY (N steht für ein beliebiges Nucleotid). Bei beiden stehen Ableserichtung und Leeraster fest, aber nur RNY ist auch auf dem komplementären Strang zu finden. Um die Frage aber noch genauer beantworten zu können, hat es mehrere Experimente gegeben.
Es wurde beispielsweise die Sequenz der Transfer-RNA (tRNA) verschiedener Lebewesen auf eine Abstammungshierarchie untersucht. Von der Start-tRNA (Met) wurde danach ein Stammbaum erstellt, der sowohl die mutationsanhäufung als auch die Häufigkeit von Guanin+Cytosin und Adenin+Uracil beinhaltet. Es fällt auf, dass es nur sehr wenige Mutationen gab, beispielsweise ist vom Ursprung zum Menschen gerade einmal eine Veränderung von 9 Basen aufgetreten, die Unterschiede zwischen Mensch und Drosophila (Taufliege) betragen vier Basen. Auch die Sequenz nahezu aller Säugetiere ist dieselbe. Das Verhältnis von G+C/A+U ist am Ursprung 2:1 und hat sich nur unwesentlich verschoben. Lediglich beim Mitochondrium beträgt es 1:2. Die tRNA muss damit schon frühzeitig eine Schlüsselrolle bei der Translation gehabt haben, denn an Sequenzen, die nur wenig mutieren, werden oft hohe funktionelle Ansprüche gestellt.
Was bescheinigt das dem Ursprung des genetischen Codes? Auf jeden Fall, dass es zu wesentlich mehr Anteilen aus G und C bestand und damit dass die Möglichkeit RNY wesentlich wahrscheinlicher ist. Weitere Experimente ergaben, dass in nahezu allen heutigen Genen ein Nachklang der RNY-Variante existiert.
Der Urcode
Ausgehend von diesen Fakten, den G+C/A+U-Verhältnissen und der allgemeinen Stabilität einer G-C-Bindung zog man den Schluss, dass der älteste Code wahrscheinlich ein GNC-Code war. Leserichtung des Codons war also von G zu C, das Leseraster war ebenso vorgegeben, die mittlere Base codierte also am Ende die Aminosäure. Im heutigen genetischen Code stehen dafür die Aminosäuren GAC=Asparaginsäure, GCC=Alanin, GGC=Glycin und GUC=Valin. Laut den Experimenten von Miller sind das die häufigsten Aminosäuren gewesen, allerdings war Glutaminsäure häufiger als Valin. Es kann also sein, dass Glutaminsäure erst in einer späteren Version durch Valin ersetzt wurde.
Die frühesten Replikationsmechanismen
Diese Aminosäuren Asp, Ala und Gly trugen alle negative Ladungen und müssten sich, statt sich zu einem Peptid zu verbinden, abgestoßen haben. Allerdings wurde von Claude Hélène (Universität Orléans) eine starke spezifische Wechselwirkung zwischen der Carboxylat-Gruppe (-COO-) einer Aminosäure und den Guanin-Nucleotiden nachgewiesen. Einige RNA-Sequenzen könnten also bestimmte Nucleotid-Strukturen ausgebildet haben, die quasi die Kontaktstellen zwischen zwei Aminosäuren geschaffen haben. Metallionen können diese Konntake weiter festigen und so könnten sich die ersten Translationsstrukturen gebildet haben, die schwache enzymatische Funktionen hatten.
Diese Informationen und damit Struktur müssten in einer der ersten Quasi-Spezies vorhanden gewesen sein, die sich durch hyperzyklische Kopplung differenzierten.
Die Weiterentwicklung des genetischen Codes
| Anmerkung(en) | Rasterform | Code | Anzahl der kodierten Basen |
| | GNC | N | 4 (Ala, Asp, Gly, Val) |
| G paart sich mit U | GNY | N | 4 (Ala, Asp, Gly, Val) |
| A komplementär an 1. Stelle | RNY | RN | 8 +(Asn?, Ile, Ser, Thr) |
| R komplementär an 3. Stelle | RNN | RNN | 16 +(Arg, Glu, Ile/Met, Lys) |
| Y komplementär an 1. Stelle | NNN | NNN | 64 +(Cys, Gln, His, Leu, Phe, Pro, Trp, Tyr, "Stopp") |
Wie man sieht, hatte der Code nur bis zum RN-Stadium die Funktion inne, die Ableserichtung vorzugeben. Der Translationsmechanismus muss sich also gleichzeitig mitentwickelt haben. Es galt, Möglichkeiten für die korrekte Ableserichtung und die Erkennung des Rasters bereitzustellen.
Der Urcode kodierte die vier Basen Glycin (Gly), Alanin (Ala), Asparaginsäure (Asp) und Valin (Val). Nach und nach kamen dann die weiteren Codons dazu, einige tragen keine Namen, sondern übernehmen Funktionen wie Start der Transkription und das Stopp-Kommando.
Der genetische Code kann heute noch auf ganz andere Weise auf ungeahnte Probleme reagieren: Kürzlich wurde die 21. natürliche Aminosäure Seleno-Cystein entdeckt. Der genetische Code wird hier nicht geändert, obwohl noch Platz ist, sondern die Struktur der mRNA entscheidet, ob das normale oder das Seleno-Cystein eingebaut wird. Diese Degeneriertheit, die dem genetischen Code zueigen ist, d.h. eine Aminosäure wird durch mehrere Codons kodiert, hilft dem Organismus dabei, Mutationen abzufangen. Wenn Mutationen nämlich in der letzten Stelle eines Codons auftreten, wird meistens die richtige Aminosäure eingebaut. Organismen sind nicht lebensfähig, wenn beim Einbau einer Aminosäure ein gravierender Fehler auftritt. Die "Neutrale Theorie" der Evolution von Motoo Kimura zeigt, dass die meisten Mutationen in dieser letzten Stelle auftreten, was beweist, dass nur diese Mutationen heute noch zu sehen sind, der Rest ist mit ihrem Träger gestorben.
Der heutige genetische Code...
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