Stanley L. Miller und Harold C. Urey ließen etwa 1925 mehrere einfache anorganische Gase durch eine Apparatur zirkulieren, die im Wesentlichen aus einem Auffangbecken für organische Lösungen, einer Heizung, einem Reaktionsraum und einem Kühler bestand. Sie wollten mit diesem Experiment zeigen, dass in der früheren reduzierenden Atmosphäre eine Bildung von organischen Stoffen möglich war. Angetrieben durch die Heizung strömten die Gasgemische mit Wasserdampf vermengt in den Reaktionsraum, wo durch zwei Wolframelektroden eine Spannung, die als Energiequelle diente, angelegt wurde. Die Reaktionsprodukte wurden dann durch den Kühler verflüssigt und lagerten sich im Auffangbecken ab. Diese Apparatur lieferte während ihres Betriebes von je einer Woche pro Experiment Stoffe wie Aminosäuren, Carbonsäuren und Aldehyde.
In der untenstehenden Abbildung können Sie die Versuchsapparatur des Miller-Urey-Experiments bewundern.
Bemerkenswert war, dass andere Gaszusammensetzungen ähnliche Stoffe ergaben, es durfte lediglich kein freier Sauerstoff zugegegen sein. Sie bewiesen damit eine Theorie von J. B. S. Haldane, der vorausgesagt hatte, dass sich das Leben in einer reduzierend wirkenden Atmosphäre entwickelte.
Umgekehrt kann man mit diesem Ergebnis beweisen, welche Stoffe für die Entstehung dieser lebensnotwendigen Moleküle in der Atmosphäre anwesend sein mussten.
Grundstoffe des Lebens
- Aminosäuren --> Proteine
- Zucker, Phosphate, organische Basen --> Nucleinsäuren
- fettartige Moleküle (Lipide) --> Zellmembranen
- andere Stoffe (Flavine) --> spezielle Anwendungszwecke
Energiequellen für die Synthese
| Energiequelle |
Menge [kJ/m²/a] |
Die Versuchsapparatur |
| gesamte Sonnenstrahlung |
10.900.000 |
 |
| Ultraviolett: 300-250 nm |
119.000 |
| Ultraviolett: 250-200 nm |
22.000 |
| Ultraviolett: 200-150 nm |
1.650 |
| Ultraviolett: weniger als 150 nm |
71 |
| Elektr. Entladungen: Koronaentladungen |
126 |
| Elektr. Entladungen: Blitze |
42 |
| natürliche Radioaktivität |
117 |
| Stoßwellen von Blitzen und Meteoriteneinschlägen |
46 |
| Sonnenwind |
8 |
| Vulkanausbrüche |
6 |
| Höhenstrahlung |
0,06 |
Die Energie, die durch diese Einträge auf die Erde gelangt, wird zum ersten direkt in die Synthesen investiert, zum anderen wird sie durch Stoffe, die auch Wellenlängen über 200nm absorbieren wie zum Beispiel Ammoniak (<220nm) und Schwefelwasserstoff (<240nm) gebunden. Diese gebundene Energie wird bei der Bildung von Makromolekülen sehr wichtig sein, denn die meisten Stoffe bauen nun Zwei- oder Dreifachbindungen auf und werden dadurch energiereich.
Der Rest der in der Atmosphäre enthaltenen Stoffe absorbiert nur Licht mit Wellenlängen unter 200 nm, das ist nicht sehr viel Ausbeute im Vergleich zur Gesamtenergie. Blitze sollten die praktischsten Energieträger gewesen sein, denn sie erzeugten die Stoofe kurz über dem Erdboden und der Wasseroberfläche, sodass die Produkte sich im Wasser lösen und weitereagieren konnten.
Mögliche Synthesewege
Die Millerschen Versuche lieferten uns alle Stoffe, die wir brauchten, um unser Leben zu beschreiben, sie lieferten aber auch Stoffe, die es in heutigen Lebewesen nicht mehr gibt, so zum Beispiel die Isomere des Alanins und des Valins. Die Aminosäure mit der Summenformel C4H9NO2 gibt es in keinem heutigen Lebewesen mehr.
Die heutigen Lebewesen brauchen nur 20 Aminosäuren zum Leben, es wurden aber wesentlich mehr synthetisiert. Das lässt uns darauf schließen, dass es in der Frühzeit des Lebens Systeme gab, die mit diesen Stoffen arbeiteten, aber später offenbar ausstarben, weil sie nicht leistungsfähig genug waren. Wie so oft hat die Natur in langen Zeiträumen viele Möglichkeiten ausprobiert um dann später mit der Selektion auszusieben.
Unmittelbare Reaktionsprodukte von Millers Experiment waren jedoch noch nicht die zum Leben erforderlichen Moleküle, sondern sehr einfache Vorstufen, Cyanwasserstoff (HCN, auch: Blausäure) und Aldehyde (Alkanale). In der damaligen Erdatmosphäre und im Urozean wurden sie zu komplexeren Molekülen umgewandelt, die später als Ausgangsstoffe für die Entstehung des Lebens werden konnten. Zum Ablauf dieser Folgereaktionen ist es erforderlich, dass die Atmosphäre nicht oxidierend, sondern reduzierend wirkte.
Doch nun zu den einzelnen Synthesewegen einiger der oben genannten Stoffklassen.
Aminosäuren

Prozesse in der Atmosphäre|Prozese im Ozean
- Serin

Zucker

Desoxyribose lässt sich analog durch Entfernen der Hydroxylgruppe am zweiten Kohlenstoffatom gewinnen.
Ein Problem bei dieser Reaktion ist, dass die Stoffe im Wasser nicht bestänig sind, das heißt sich wieder auflösen. Es ist aber sehr einleuchtend, dass die Stoffe doch auf zumindest ähnliche Weise entstanden sein müssen.
Organische Basen

Komplexes Reaktionsschema
Das Adenin aus der Gruppe der Purinbasen entsteht hier am leichtesten, Guanin stellt auch kein allzugroßes Problem dar, doch die Pyrimidinbasen Uracil, Cytosin und Thymin sind durch bis jetzt noch nicht nachvollziehbare Reaktionen in wahrscheinlich sehr kleinen Mengen entstanden.
Das Adenin hat sich mit einem Ribosemolekül zum Adenosin vereinigt. Wenn an dieses Adenosin eine Triphosphatkette angebunden wird, entsteht ATP (Adenosintriphosphat), das heute in allen Lebewesen die Aufgabe des Energietransports übernimmt. Da es in so rauen Mengen entstanden ist, scheint die Natur genau dieses Molekül als "Energiewährung" auserkoren zu haben.
Das Adenosin und seine Äquivalente Guanosin, Cytidin und Uridin sind auch die Baustoffe für die Nucleinsäuren, die sogenannten Nucleoside. Doch darum werden wir uns weiter hinten kümmern.
Während die Bildung dieser einfachen Stoffe nahezu problemlos nachvollziehbar ist, bekommt man Probleme, wenn man erklären soll, warum sich die organischen Basen, die Ribosemoleküle und die Phosphationen in genau dieser Weise zu Nucleotiden, den heute nahezu wichtigsten Bausteinen der Lebewesen, verbanden. Wahrscheinlich ist es einmal mehr der Zufall, der hier der Evolution auf die Sprünge geholfen hat.
Ergebnisstoffe des Miller-Urey-Experiments... [MS Excel9-HTML]
Zurück | Vorwärts |