Konkurrenz zwischen RNA-Molekülen

Nimmt man an, dass es in der Ursuppe unbegrenzt viele energiereiche Monomere gegeben hat und dass eine einmal synthetisierte RNA niemals ausstirbt, dann erhält man folgendes Ergebnis:

  • Jede entstandene RNA würde als Matrize wirken,
  • jede RNA pflanzt sich mit einer ihrer augenblicklichen Konzentration proportionalen Geschwindigkeit fort (Je mehr RNA, desto schneller),
  • jede RNA würde sich demzufolge exponentiell vermehren.
  • Da bei jeder Replikation Fehler (Punkt-, Rastermutationen) auftauchen,
  • gäbe es bald unendlich viele RNA-Varianten.
  • Einige dieser Mutanten würden aufgrund ihrer Struktur schneller oder fehlerfreier repliziert,
  • ihre Zahl nimmt rascher zu und diese RNA gewinnt die Oberhand.

Aber auch wenn man sich in seinen Überlegungen an die Realität hält, käme man zu keinem völlig anderen Ergebnis. Da neue Monomere nur langsam nachwachsende Rohstoffe waren, sie konnten ja nur abiotisch synthetisiert werden, und die einmal erzeugte RNA nur eine begrenzte Lebensdauer hat, müssen die RNA-Moleküle um diese Monomere kämpfen um ihre Sequenzen langfristig weitervererben zu können. Man sieht, dass Selbstreplikation ein Wettbewerbsprozess ist, bei dem die Mutante einen Vorteil hat, die die beste Kombination aus a) Kopiergenauigkeit, b) Stabilität und c) Replikationsgeschwindigkeit aufweist.

Die Konkurrenz bewirkt also, dass nur die den aktuellen Umweltbedingungen (Konzentration von Monomeren, evtl. vorhandene positive oder negative Enzyme, Temperatur etc.) am besten angepasste Sequenz überlebt. Diese Sequenz nennt man dann Stammsequenz. Diese Stammsequenz ist umgeben von vielen anderen Sequenzen, die aus ihr durch Mutation hervorgegangen sind. Diese Mutantensequenzen konnte aber die Stammsequenz kaum abschütteln, weil sie ihr sehr ähnlich und damit ähnlich angepasst waren. Aus dieser Annahme konnten einige Wissenschaftler Zusammenhänge ableiten.
Es gibt zum Beispiel einen Fehlerschwellenwert für die stabile Selbstreplikation. Wurde diese Schwellenbedingung überschritten, konnte die genetische Botschaft nicht überleben. Es wurde daraus eine Gleichung entwickelt, aus der sich die maximale Länge von frühen Stammsequenzen schätzen ließ. Experimentell ermittelte Werte wurden eingesetzt und man fand, dass die präbiotischen Gene eine maximale Länge von 50 bis 100 Nucleotiden hatten. Positiv für die Theorie der Evolution geht daraus hervor, dass sich Moleküle dieser Lnge bereits falten und stabilisieren konnten. Negativ ist, dass diese kurzen Abschnitte keine langen, funktionellen Proteine kodieren konnten.

RNA-Quasi-Spezies

Diese Genverteilung, also eine Stammsequenz mit all ihren Mutantensequenzen nennt man eine RNA-Quasi-Spezies. Aus der Selektion der tauglichsten Sequenzen ging also nicht eine einzige Sequenz (oder mehrere gleich taugliche Sequenzen) als Siegerin hervor, sondern mit ihr eine gesamte Quasi-Spezies. Die Auslese bewirkt die Stabilisierung einer Quasi-Spezies. Stabil bleibt diese Quasi-Spezies aber nur solange wie der Fehlerschwellenwert nicht überschritten wird und die Mutationen sich nicht anhäufen können. Geschieht das, läuft die gesamte genetische Information auseinander und die Information geht verloren.

Auch für heutige Organismen mit hochentwickelten Replikationsmechanismen wie zum Beispiel dem Qß-Virus (Retrovirus) gelten zwei Grundsätze:
a) um das Problem der unvollkommenen Replikationsgenauigkeit Herr zu werden, wird die Länge der Gene begrenzt,
b) das Überleben der Art wird in Quasi-Spezies, nicht in identischen Genen gesichert.

 

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