Die erste Informationskrise

In den ersten Abschnitten der Biogenese (=Entstehung des Lebens) hatten wir Energieprobleme: Einerseits fehlte Energie für die Bildung von Makromolekülen, andererseits konkurrierten die RNA-Moleküle um energiereiche Baustoffe. Beide Krisen haben wir gelöst, aber nun steht uns eine neuerliche Krise ins Haus, die ungleich gewichtiger für die Entstehung des Lebens ist: die erste Informationskrise.
Die RNA-Moleküle und Quasi-Spezies, die es im Moment gibt, bestehen aus maximal 100 Nucleotiden, wenn sie reich an den Basen Guanin und Cytosin sind. Sie haben also eine vergleichbar geringe Informationsspeicherungsfähigkeit (100 Nucleotide, davon codieren je drei eine Aminosäure = 33 Aminosäuren), sie können durch diesen Mangel keine hochwertigen Proteine codieren und sich auch sonst nicht fortentwickeln. Damit die Entstehung des Lebens fortschreiten konnte, mussten die Strukturen länger werden. Allerdings war durch die physikalische Selbstreproduktion, die auf der Basenpaarung aufbaute, eine sehr hohe Fehlerrate gegeben, sodass die Ketten, wollten sie identisch repliziert werden und damit überleben, sehr kurz gehalten werden.

Lösung: Erster Schritt

Es kristallisiert sich also heraus, dass die Fehlerrate weit gesenkt werden musste. Die präbiotischen Systeme mussten sich eine eigene Reproduktionsmaschinerie, also Enzyme (RNA-Polymerasen), verschaffen, die die Reproduktion wesentlich genauer und schneller bewerkstelligten. Dazu mussten sie einen Mechanismus erfinden, der ihre Gene in Proteine übersetzen konnte. Die RNA könnte durch solche Enzyme ihre Genlänge auf einige Tausend Nucleotide ausdehnen. In vielen einzelsträngigen RNA-Viren (Retroviren) findet man heute noch RNA, die lediglich diese Länge besitzt, es zeigt sich, dass diese Barriere auch heute noch besteht.

Lösung: Zweiter Schritt

Ein weiterer Schritt zur Verlängerung der Genketten, also der Informationsfülle wäre, den Tochterstrang, der Fehler enthalten könnte, mit der Elternmatrize, die als fehlerfrei gilt, in Verbindung zu halten. Da der Tochterstrang zum Elternstrang komplementär ist, müssten also alle Basen des Tochterstranges mit dem des Elternstranges gepaart sein. Ist dies nicht der Fall - und hier ergibt sich die Möglichkeit einer Fehlerkorrektur - ist die entsprechende Base im Tochterstrang falsch. Enzyme könnten dann punktual die richtige, d.h. zum Elternstrang komplementäre Base einbauen und die Gefahr einer Mutation ist sehr stark verringert. Durch die Analyse "Base ungepaart" lässt sich also ein Fehler finden und beheben, dies kann sogar nach der eigentlichen Replikation durch ein völlig anderes Enzym (DNA-Polymerase) geschehen. Dieser Mechanismus hat sich irgendwann einmal gebildet und sich bis heute erhalten: Die genetische Form wird in DNA, einen doppelsträngigen Molekül, gespeichert und zur Proteinbiosynthese in RNA transkribiert, d.h. in ein RNA-Molekül umgeschrieben. Diese Zweiteilung Speicherung/Verarbeitung hat sich bis heute erhalten. Außerdem stützt dieser Umstand die Annahme, dass der Genexpressionsmechanismus auf RNA-Basis entstanden und diese demnach älter ist.
Mit der DNA als Speicherform lassen sich heute Genlängen von mehreren Millionen Nucleotiden realisieren.
Ein weiterer Vorteil der DNA, nämlich ihre höhere molekulare Stabilität, beruht auf einer besseren Verknüpfungs- und Molekularstruktur. Bei ihr stehen die Basen senkrecht auf den Achsen der begrenzenden Stränge, daraus bildet sich eine höhre Regelmäßigkeit und damit eine höhere Stabilität. Der Doppelstrang bietet ihr höheren Schutz vor thermischer Denaturierung (Aufspaltung), weil es eine hohe Anzahl von Wasserstoffbrücken gibt und nebeneinanderliegende Nucleotide auf den Nachbarn eine festigende Wirkung ausüben (Stapelenergie). Außerdem war die DNA in Verbindung mit den Zellkompartimenten und der Bildung von Zellen von großer Bedeutung: Zellen konnten sich identisch reproduzieren, indem sie einfach ihre DNA verdoppelten. Die RNA wurde dann erst zur Lebenszeit der neuen Zelle gebildet und brauchte nicht erst durch umständliche und fehlerbehaftete Kopieraktionen verfielfältigt und dann übertragen werden. Diesen Zellteilungsvorgang nennt man heute Mitose und man findet ihn in allen rezenten Lebewesen.

Ein neues Problem - eine neue Lösung

Durch die Einführung der RNA-Polymerasen und der sehr viel später auftretenden DNA-Polymerasen wurde die Kopiergenauigkeit der Gene dermaßen erhöht, dass die Variabilität, eine Grundfeste der Evolution, nahezu verloren ging. Wir haben also wieder das Problem, dass sich Leben auf dieser Stufe wieder nicht weiterentwickeln konnte, weil es zu starr war. Die Natur löste das Problem, indem sie den uns heute als zweiten Weg einer Zellteilung bekannten Vorgang erschuf, die Meiose. Hier werden die Gene nicht identisch repliziert, sondern aus zwei Elterngenpools wird durch Kombination (intra- und interchromosomal) ein neuer, fast zufälliger Kindgenpool erzeugt. Dieser sicherte nicht nur die Variabilität, sondern brachte einen weiteren Vorteil mit: die Elternbausteine konnten nach einer Art Baukastenprinzip zusammengebaut werden und brachten wahrscheinlich eine schnellere und gerichtetere Evolution auf den Weg. Bei allen Wirbeltieren, aber auch vielen Wirbellosen wird die Meiose zur Erzeugung von Nachkommen benutzt.

Voraussetzungen für die Lösung

Ich will hier die Entstehung der ersten Enzym- und Translationsmaschinerie, die aus der ersten Informationskrise herausführte, beschreiben. Es bestand der Anspruch auf ein System, dass die genauestmögliche Replikation von RNA übernahm und sich im Zuge dessen selbst optimieren konnte. Desweiteren musste es stabil und möglichst kompakt sein, d.h. möglichst von einer Quasi-Spezies getragen werden.
Um Enzyme herstellen zu können, muss sich ein Übersetzungs-(Translations-)apparat entwickeln, der die Gene der RNAs in eine funktionelle Sprache übersetzen konnte: die Proteine.
Die allerersten Translationsapparate waren wahrscheinlich besonders strukturierte RNA-Moleküle, die gewisse Kontaktstellen für Aminosäuren schafften, die durch Metallionen gefestigt wurden und die ganze Einheit so eine schwche enzymatische Wirkung hatte. Lesen Sie dazu hier mehr. Um diesen Übersetzungsapparat - und sei er auch noch so primitiv - zu konstruieren, brauchten die damaligen Systeme mehr Information als in den 100 Nucleotiden einer RNA-Quasi-Spezies steckte. Da eine Verlängerung der Genketten aufgrund der oben genannten Missstände nicht möglich war, mussten mehrere Quasi-Spezies zusammenarbeiten um mehr Informationen halten zu können. Bis jetzt konkurrierten alle Quasi-Spezies um die energiereichen Monomere. Wie wir uns vorstellen können, könnte dadurch nur eine einzige Sequenz überleben, was der Evolution nicht förderlich wäre. Wir suchen also einen Weg, wie Quasi-Spezies zusammenarbeiten können und diese Information weiterentwickelt werden konnte.
Im nächsten Kapitel lesen Sie die Lösung.

 

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