Ganz pauschal lässt sich sagen, dass Lebewesen nur dann miteinander arbeiten, wenn es beiden Nutzen bringt. Das ist bei den heutigen Symbiosen so. Damals brauchte man aber eine stärkere Kopplung, die RNA-Quasi-Spezies mussten nahezu vollständig voneinander abhängig sein. Diese Abhängigkeit wurde dadurch gegeben, dass eine Quasi-Spezies einer anderen die Replikation ermöglichte, ein für die andere Spezies replizierendes Enzym aktivierte oder einfach die Replikation erleichterte oder beschleunigte.
Solch ein Hyperzyklus ist eine Autokatalyse zweiter Ordnung, sozusagen eine doppelte Rückkopplungsschleife. Hier sieht man, dass keine der beiden Quasi-Spezies (I1 und I2) ohne die andere existieren kann. Es kommt allerdings auf die Geschwindigkeit der Replikationen an, in welcher Konzentration die beiden Partner vorliegen, doch zerstören kann diesen Hyperzyklus nur eine Fluktuationskatastrophe, d.h. ein oder beide Partner werden räumlich voneinander getrennt, oder eine grundlegende Änderung der Umweltbedingungen, d.h. dass z.B. die Temperatur zunimmt und entweder die RNAs selbst zerfallen oder die Translationsprodukte unwirksam werden. Hyperzyklische Kopplungen haben in Experimenten gezeigt, dass sie es schaffen, die Fehlerschwelle zu überspringen und so eine Weiterentwicklung der Quasi-Spezies möglich machen. Hyperzyklen dienen also auch dazu, dass die Gene (RNA) ein replikationsförderndes Urteil über ihre Produkte erhalten. Hyperzyklen haben aber auch einen Effekt auf die Selektion. Die ersten Hyperzyklen waren wahrscheinlich noch schwach (kaum "bahnbrechende" Enzyme) und verwickelt (viele Quasi-Spezies beteiligt). Die Evolution musste diese Hyperzyklen weiter ausformen und effektiver machen. Höherentwicklung bei HyperzyklenBei Hyperzyklen treten mehrere Möglichkeiten der Weiterentwicklung ein. In der linken Abbildung kann man die allgemeine Konstellation erkennen, wenn eine Mutante schneller oder gleich schnell repliziert wird. Ist eine Mutante entstanden, die langsamer als die Stammsequenz vermehrt wird, verändert das den Hyperzyklus nicht, da beide Sequenzen dann im Zuge ihrer Selbstreplikation miteinander konkurrieren und nur die Stammsequenz schnell genug repliziert wird um den Kampf zu gewinnen.
Der Übergang aus einer oder mehreren Quasi-Spezies zum Hyperzyklus vollzog sich sicherlich ganz allmählich. Sehr primitive Translationsmechanismen, die entstanden sein mussten und die wahrscheinlich nur zum Triplett eine Aminosäure zuordneten, produzierten irgendwann leistungsfähigere Proteine als in der Ursuppe vorhanden waren. Anfangs waren diese Proteine so unspezialisiert, dass sie vermutlich ziemlich alle RNAs replizierten. Aber irgendwann drifteten die Enzymstrukturen und RNA-Strukturen so auseinander, dass es höchst wahrscheinlich war, dass zwei verschiedene Sequenzen (Quasi-Spezies) sich eher "überkreuz" Hilfe gewährten als direkt mit ihrem Produkt rückzukoppeln. Dadurch aber konnten sich die Enzyme weiter von ihren ursprünglichen Strukturen entfernen und die Kompatibilität zwischen ihnen und einer RNA schränkte sich immer weiter ein. Bis heute ist das Schlüssel-Schloss-Prinzip für Enzyme und Substrate erhalten geblieben, d.h. ein Enzym hat meist GENAU ein Substrat. Wie man in der Abbildung 3.2 sehen kann, haben Quasi-Spezies und die resultierenden Hyperzyklen einen großen Nachteil: Ausschließlich die phänotypischen, d.h. strukturellen Eigenschaften einer RNA (Replikationsmerkmale und Stabilität) werden durch die Selektion bewertet. Die Gene selbst, die ja die Enzyme kodieren, können nicht selektionell erfasst werden, die Enzyme verbessern sich dadurch nicht stetig, sondern zufällig durch Mutationen.Wie dieses Problem gelöst wurde, lesen Sie im nächsten Kapitel. Zurück | Vorwärts |
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