Charakterisierung selbstreplikativer Stoffe

Bedingungen und Ausgangspunkte für Entstehung der Gene

Wie lange kettenförmige Moleküle, sogenannte Makromoleküle, entstanden waren, haben wir im vorigen Abschnitt kennen gelernt. In diesem Abschnitt wollen wir uns näher ansehen, wie es zu den uns bekannten, auch heute noch wirksamen Translations-, Replikations- und Expressionsmechanismen kam, wir wollen uns ein Bild machen, wie die Genmaschine in uns entstand und sich weiterentwickelte.
Zur Einordnung in die Evolution möchte ich bemerken, dass diese Abläufe neben den Bildungen von Aminosäuren und Lipiden sowie Proteinoiden abliefen, da diese Stoffe im folgenden Abschnitt Verwendung finden werden.

Da die Bedingungen auf der Urerde nur bruchstückhaft bekannt sind, wir kennen die Stoffklassen der Atmosphäre, die Temperatur, sind viele Beweise für die Evolution in diesem frühen Stadium verschwunden. Wir können also anhand dieser die Evolution nicht mehr direkt nachzeichnen, sondern können aus einzelnen Indizien, so zum Beispiel dem Aufbau einiger Stoffe, Lebensvorgängen und nicht zuletzt Experimenten mit einfachen Lebewesen und Viren, die Naturgesetze ableiten, denen die Evolution damals folgte. Wir werden in diesem Abschnitt erfahren, wie RNA als Informationsspeicher und Funktionsmolekül entstand, wie sich Gene anhäuften und wie sich schließlich erste zellähnliche Lebensbereiche entwickelten.

Auch in dieem Abschnitt gehen wir wieder von der Zusammensetzung der und Reaktionen in der Ursuppe aus, deren Entstehung wir unter Miller-Urey-Experimente geklärt hatten.
Die Ursuppe enthielt durch ihre physikalische Entstehung viele organische Moleküle, aber viele dieser Moleküle waren biochemisch falsch, das heißt sie sind heute in keinem Lebewesen mehr vorhanden. Das erste selektierende Prinzip musste also schon sehr früh die leistungsfähigsten Moleküle aussortieren. Die Moleküle mussten fähig sein stabile und folgerichtig verknüpfte Makromoleküle zu bilden, später wurden aus ihnen vor allem die genetischen Grundpfeiler, die organischen Basen mit den Ribosen, die Nucleotide. Die Energiegewinnung und -speicherung erfolgte damals wie heute über kondensierte Phosphate, die zuerst auf nicht-metabolischem Weg (nicht durch Stoffwechsel von Lebewesen) erzeugt, später durch Vergärung "überflüssiger Bestandteile" der Ursuppe und noch später durch den Citratzyklus bereitgestellt wurde.

Aus unserer heutigen Kenntnis über DNA- und RNA-Strukturen können wir mutmaßen, dass der erste genetische Apparat sich aus RNA-Ketten entwickelte, weil diese chemisch wesentlich einfacher zu handhaben sind. In RNA und DNA bestimmen vier organische Basen Adenin, Thymin (Uracil in der RNA), Guanin und Cytosin die Gene und damit die Sequenz eines Proteins. Die ersten beiden und die letzten beiden Basen können sich paaren, man nennt sie komplementär. An ein Adenin-Nucleotid kann also ausschließlich ein Thymin bzw. Uracil gebunden werden, nichts anderes. Aufgrund dieser Gesetzte ist eine RNA bzw. eine DNA ihr eigener Bauplan, vervielfältigt wird sie heute durch Enzyme, die gemäß den Basenpaarungsregeln die komplementäre Base anlagern und die Nucleoside verbinden.

Die komplizierte Maschinerie, die heute die Replikation und die Transkription und Translation übernimmt musste sich auf strukturspezifisch erkennbare Matrizen (Muster) einstellen. Die DNA-Doppelhelix ist zwar stabiler als die RNA, doch nur die RNA kann sich auf nahezu beliebig viele Varianten räumlich falten, daher ist es ein weiteres Indiz für einen RNA-gebundenen Mechanismus. Auch heute werden Transkription und Translation vollständig über RNA-Kopien der DNA abgewickelt, die Replikation der DNA nimmt an kurzen RNA-Stücken, sogennanten Primern, ihren Anfang. In heutigen Lebewesen findet man überall, wo gleichzeitg Struktur und Information benötigt werden, RNA. Diese Proteine werden dann Ribozyme genannt. Da es sehr schwierig wäre, Informationen von anderen Speichern auf die Nucleinsäuren zu übertragen, ist es offensichtlich, dass die Nucleinsäuren auch in der Frühzeit des Lebens diese Aufgabe übernahmen.

Im Zuge der Entstehung von Makromolekülen wurden sicher viele Nucleotidsequenzen gebildet, aber nur wenige davon waren chemisch "richtig", hatten also die richtigen Bindungen an den richtigen Plätzen, die richtige Stereochemie und vor allem die richtigen Basen. Warum haben sich also gerade die uns heute bekannten RNA- und DNA-Strukturen erhalten?
Hier ist vor allem die Stabilität ein wichtiger Faktor: Nur, wenn einem Purin einem Pyrimidin gegenübersteht und wenn alle Verknüpfungen innerhalb des Polymers gleich sind (5'-3'), dann stellt sich aufgrund der Regelmäßigkeit eine Komplementarität ein, und diese ist die Ursache für eine hohe Stabilität (in der DNA).
Bei den RNA-Molekülen war vor allem die Faltungsmöglichkeit wichtig, da die Moleküle durch die Faltung der Hydrolyse mehr Widerstand entgegensetzen konnten und länger stabil blieben. Ein weiterer Grund war, dass diese Moleküle sich dauerhaft und ohne fremde Hilfe replizieren konnten, weil sie aufgrund der Basenpaarungsregeln ihr eigener Bauplan waren. Das Überleben eines Organismus kann dadurch erfolgen, dass der Organismus lange lebt oder dass der Organismus sich repliziert und die Information weitergibt. Hier muss man auch auf die Frage kommen, was zuerst da war, die Information oder die Funktion. Der Zufall half uns auch hier, beides entstand gleichzeitig.
In der Ursuppe waren viele Arten von Stoffklassen enthalten, unter anderem sogenannte Proteinoide (eiweißähnliche Stoffe), die man im Labor durch Erwärmen von Aminosäuren erzeugt hat und die katalytische also enzymatische Wirkung haben können. Auch gab es Moleküle, die durch Sonnenenergie angeregt bzw. umstrukturiert wurden, Lipide zur Bildung membranähnlicher Hüllen und Zucker als Energiequellen.
Durch nichtbiologische Vorgänge war also eine große Menge funktioneller Moleküle geschaffen worden, die allerdings einen Mangel hatten, nämlich, dass sie sich nicht fortentwickeln konnten. Ihre Funktion war zufällig durch eine bestimmte Struktur, die sich aus reiner physikalischer Chemie ergeben hatte, geprägt. Diese Funktion konnte also nicht verbessert werden, da die Struktuen nicht ohne Weiteres änderbar sind. Selbstreplizierende, informationstragende Moleküle konnten die strukturellen Zwänge ablegen und sich weiterentwickeln: Die RNA-Ketten.

 

Zurück | Vorwärts

- DajinVII -